Demokratie und Moralismus?

Skrijelj Nermin hadert mit den Medien

Liebe Leserinnen und Leser,

Mitte Juli (14/07/2020) habe ich versucht ein kleines simples ,,philosophisches Essay“, aber auch zugleich eine Kritik an unsere Medien zur Veröffentlichung weiterzuleiten, bedauerlicherweise aber wurde dieser Brief nicht publiziert.

Von einigen war die Begründung, dass dieser nicht angemessen für eine solche Zeit ist, weshalb ich diesen heute an dieser Stelle zur Beurteilung weiterleiten möchte:

Bevor unser hochgeschätztes Parlament in die Pause geht hoffe ich dieses, aber vor allem auch Sie mit diesem Schreiben erreichen zu können. Vielleicht lehne ich mich etwas weit aus dem Fenster und diesem bin ich mir sehr bewusst, aber zu meinem Bedauern scheint bis heute die Erfolgsbilanz von politischer Aufklärung über Totalitarismus sehr begrenzt zu sein, was mich immer wieder zum Schreiben animiert und motiviert.

Das zwanzigste und einundzwanzigste Jahrhundert, sind die Jahrhunderte des Totalitarismus.

Die große zivilisatorische Errungenschaft die die Menschheit über Jahrhunderte mit viel Blut, Leid, Zorn und sogar Krieg erstritten hat, ist nach wie vor die Demokratie. Diese scheint noch immer im Jahre 2020 von manch einer Politik als große Sicherheitslücke in der Gesellschaft betrachtet zu werden. Viele teilen diese Ansicht nicht, was ich definitiv auch nicht infrage stellen möchte, jeder hat seine Meinung.

Viele meinen, dass diese Behauptung nicht zutrifft aber die Einschränkungen der individuellen Freiheiten und Grundrechte könnten von etwas anderem zeugen, denn die erstrittene, teuer bezahlte und für die heutige Gesellschaft gefestigte Demokratie erwies sich in der sogenannten Krisenzeit urplötzlich als große Bürde. Alles wurde zugunsten einer Krankheit verändert, die sehr lange bekannt war, aber eben zu Beginn nicht so viel mediales Interesse bekommen und geweckt hatte.

Ein so zügiger Eingriff in Freiheit und Grundrecht des Volkes liegt bestimmt schon einige Jahrzehnte zurück. So stellt sich vielmehr die Frage, ob die heutige Demokratie selbst nicht schon länger an einem Virus leidet und wir diesen auch noch nicht sehen.

Auf anderer Ebene wird in Schulen immer noch die Einzigartigkeit des demokratischen Rechtsstaates gelehrt, doch draußen soll der sogenannte große Umbau stattfinden. In diesem Prozess des Umbaus und der gepredigten Unvermeidlichkeit sieht man den Genuss des Volkes über seine erworbene Bequemlichkeit, die großen Denkern, Aktivisten, Künstlern usw. zu verdanken ist. Viele schauen gutmütig und bequem der angeblich zwingend notwendigen „Entwicklung“ zu.

Zur selben Zeit aber wiederholen sie die mitgelieferte und dazugehörige Argumentation, so wie ein Wiederkäuer seine Nahrung ständig schluckt und wiedergibt, denn anders als durch Freiheitsbeschränkungen und massiven Eingriffen in die Privatsphäre soll Gesundheit heute nicht mehr zu gewährleisten sein!? Anstelle von individueller Selbstbestimmung und Freiheit könnte in Zukunft Solidarität und Moral als Träger des eventuell neuen demokratischen Rechtsstaates gelten. Ob dies der richtige Weg ist wird sich zeigen, denn jeder freiheitsentziehende Prozess, der ja schließlich unter anderem auch ein politischer Prozess ist, erfolgt immer schleichend.

Es ist klar, dass jegliche Folgen einer politischen Entfaltung immer stufenweise erfolgt, aber auch immer so wie eine Waage ist, sodass die eine Seite immer die andere beeinflusst.

Nahezu beispiellos sagte schon im Jahre 1837 der uns allen bekannte französische Publizist und Historiker Alexis de Tocqueville (ob gemocht oder nicht) ein solches System voraus und er warnte davor.

Noch vor ihm beschrieb der französische Philosoph J.J. Rousseau in seiner Arbeit ,,volonté générale“ wie dieses auszusehen hat und bedauerlicherweise gibt es viele Parallelen, die heute gegenwärtig oder aber in der Entwicklung sind. Die wichtige Frage ob Wertesysteme zu verteidigen sind, wenn Sie abgeschafft werden wird nicht gestellt und die, die sie stellen, sind bei vielen unbeliebt.

Das Volk soll nun mal immer auf alle guten Absichten von Regierungen vertrauen, während aber diese in manchen Staaten den Bürger auf Schritt und Tritt überwacht. Wenn es der Tatsache entsprechen sollte, dass eine Regierung glaubt sich selbst gegen seine eigenen Bürger verteidigen zu müssen, dann ist die Frage nach dem richtigen Weg durchaus berechtigt und vor allem legitim.

Durch eine soziale Distanz soll sich der heutige Bürger Tag für Tag von der möglichen Ansteckung schützen, ob das nun ein Virus ist oder aber vielleicht eine böse Idee sei dahingestellt, aber er wird indirekt aufgerufen, selber der Überwacher zu sein, doch dieser neue Beamte soll mehr denn je der sogenannte gesellschaftstreue Beamte sein, strahlend von Solidarität und Moral gegenüber seinen Mitmenschen.

Die Covid-19 Debatte und der Moralismus könnten nahezu Hand in Hand über den Altar schreiten. Zwei haben sich gefunden. Doch ist die Entwicklung einer Gesellschaft, die den Denunziant fördert wirklich erstrebenswert, denn dadurch könnte doch die gesellschaftliche Ausgrenzung von Individuen zum Mittel der Wahl werden. So würde im Namen von Moral und Solidarität ausgeschlossen und isoliert werden.

Freiheit ist etwas Besonderes, ob geistige oder physische, beide haben ihren Platz in der Demokratie, weswegen sich diese nicht so einfach streichen lässt. Die Philosophie hat schon lange festgestellt, dass in einer Demokratie Freiheit nicht von Regierungen gegeben wird, sondern dass das Volk einen kleinen Teil ihrer Rechte ausleiht.

Freiheit in einer Demokratie ist kein Geschenk, das von oben herab gegeben wird, sondern ein Grundzustand der mit Sicherheit unserem heutigen Staatsverständnis an sich vorausgeht.

Sollten wir uns nicht immer wieder der Tatsache bewusst werden und uns erinnern, dass sämtliche Rechte von denen wir noch immer zehren, die Folge von gesonderter Infragestellung oder Skepsis sind?

Hochachtungsvoll.

Skrijelj Nermin

Zu guter Letzt möchte ich noch ein Beispiel nennen, das hoffentlich ebenfalls wahrgenommen wird und zwar nehme ich mir öfter die Zeit, auch mal Artikel bei der Zeitung „T“ zu lesen und diese auch zu kommentieren. In regelmäßigen Abständen, wenn ich Kritik, Meinungen und Fragen formuliere, die argumentativ und begründet sind werden diese in den meisten Fällen von der Moderation nicht durchgelassen, sodass ich des Öfteren anrufen und um eine Erklärung bitten musste, womit nach langer Diskussion dann schlussendlich einige Kommentare  veröffentlicht wurden.

Nach regelmäßigen Diskussionen entschloss ich mich, der Redaktion am 4. Juli 2020 einen Brief zu schreiben, wobei die Antwort bis heute offensteht. Diesen möchte ich natürlich niemandem vorenthalten und ebenfalls zur Beurteilung vorlegen:

BESCHWERDE

Sehr geehrte Direktion/Chefredaktion,

Als eine der führenden Tageszeitungen in Luxemburg sind Sie mit vielen Artikeln und der Unterstützung von Meinungsäußerungsfreiheit bislang „positiv“ aufgefallen, weshalb ich mir immer wieder auch die Zeit nehme, ihre Zeitung zu lesen und gegebenenfalls auch Artikel auf ihrer Internetseite zu kommentieren.

Zu meinem Erstaunen geht in den letzten 2 Jahren etwas sehr Eigenartiges in ihrer verantwortlichen Abteilung für Regelung oder Kontrolle der Internetkommentare vor, weswegen ich mich hier mit meiner Beschwerde und Bitte an sie richte.

Sehr oft werden meine Kommentare, die ich unter dem Pseudonym (…) oder aber (…) oder aber mit vollem Namen schreibe einfach nicht freigegeben. Das letzte war vom 03/07/2020 unter dem Artikel von Jessica Olé veröffentlicht am (1 . Juli 2020 um 22.35 Uhr mit dem Titel Corona-Krise / Ohne Regeln geht es doch nicht: Bettel will Privatpartys einschränken), wo ich einer Person mit Nutzernamen (…)  antwortete.

Diese Texte sind alle subjektive Meinungen, Erklärungen oder aber Antworten zu anderen Kommentaren, jedoch sind Sie nie beleidigend oder aber in irgendeiner Form diskriminierend und schon gar nicht strafrechtlich fragwürdig, sodass eine Sperrung dieser stattfinden müsste.

Mehrere Male habe ich mich auch mit Herrn Schleimer Chris wegen anderen Kommentaren telefonisch in Verbindung gesetzt, um nachzufragen was problematisch an verschiedenen Inhalten war oder ist, dieser hat auch anschließend persönlich die Kommentare gelesen und konnte sich überzeugen, dass nie Beleidigungen…usw. Inhalt von meinen Schreiben waren. So wurden dann die Texte freigegeben.

Es bleiben also die Fragen offen, wieso diese in regelmäßigen Abständen und immer mal wieder gesperrt werden und ob ich jedes Mal in Zukunft für die Freigabe anrufen muss? Hauptsächlich aber betrifft dies regierungskritische Kommentare, einige werden durchgelassen aber die, die gut argumentiert sind und Gewicht haben, nicht.

Zu guter Letzt möchte ich Sie hiermit bitten, sich eventuell mit der zuständigen Abteilung/Person auseinanderzusetzen und falls möglich mir ein Schreiben mit ihrer Antwort und ihren Richtlinien oder Kriterien, wann ein Kommentar veröffentlicht werden darf und wann nicht, zukommen zu lassen, sodass ich ihre Geschäftspolitik diesbezüglich besser verstehen kann und falls nötig mich eventuell auch dieser in Zukunft in meinen Schreiben anpassen kann.

Hochachtungsvoll

Skrijelj Nermin, 04.09.2020 (Bild: Shutterstock)

2 thoughts on “Demokratie und Moralismus?”

  1. René+Flammang sagt:

    Et ass net méi drun ze zweiwelen, mir sinn richt um Wee an en totalitäre Staat. Et ass just keen deen eppes mierkt.An all politesch Couleur mécht mat, zesummen mat där esou vill gelueften demokratescher Press.Déi schonn laang zu enger Zensurpress avancéiert ass.Eng Tendenz déi an der ganzer EU ze gesinn ass.E laang preparéierte Coup gëtt elo ëmgesat. Alles mat Hëllef vun der Angscht an der Panik vun de Läit.
    A Muer wächen se an engem totalitären System op a froen sech wéi dat méiglech konnt sinn.

  2. Chantal sagt:

    Mëttlerweil gehéieren se „bal“ alleguer an dat selwecht grousst Dëppen vun der MSM.
    Onofhäneg vu Sprooch oder Land…
    Et ass traureg!!

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