Mein schönes Chile, wo bist du?
Jedes Mal, wenn ich durch die Stadt fahre, die seit der Quarantäne ziemlich leer ist, sehe ich ein neues Santiago. Denn die Straßen sprechen und sagen die Wahrheit. Armut kann nicht länger versteckt werden. Was wir in den letzten Jahren nicht sehen wollten, kam ans Licht.
Vom Auto aus kann ich durch ein halboffenes Tor eine Art Gelände sehen, das wie eine Müllhalde aussieht. Aber wenn ich die Buchstaben auf dem Tor lese, erkenne ich, dass es ein „Lager“ ist. Wie kann es sein, dass Menschen so leben müssen? Wir wissen, dass im Chile des Jahres 2020 Kinder immer noch im Müll aufwachsen. In der Hoffnung auf ein würdevolles Leben. Es hat immer extreme Armut gegeben. Nur vorher spielten viele von uns den Vielbeschäftigten. Es ging uns nichts an. Und mit den Nebenwirkungen der Pandemie sehe ich jeden Tag immer mehr Obdachlose, die auf einem Karton unter einer Plastikplane schlafen. Jedes Wochenende werden immer mehr Lebensmittelportionen bei den Suppenküchen ausgeteilt. Wir wissen von der Nachbarin, die untröstlich weint, weil ihre Familie alles, was sie im Leben mit Mühe erworben hat, verkaufen musste, weil sie die Miete für ihr kleines Möbellokal nicht bezahlen konnte. Der alte Mann von nebenan, als ich ihn im Laden an der Ecke treffe, nimmt demütig einen einzigen Laib Brot, geht, ohne zu bezahlen, und erklärt, dass er morgen bezahlen wird. Worte, die vom Wind weggetragen werden.
Und wenn ich nicht für einen einzigen Laib Brot bezahlen kann, dann liegt das daran, dass es Elend gibt. Und jeden Tag kommt mehr ans Licht. Dies sind konkrete Fälle. Wir können uns nicht dumm stellen. Der Mann der sonst als Schulbusfahrer arbeitete, fährt nun Obst und Gemüse aus, oder die alleinerziehende Mutter, die Nudeln für Windeln umtauscht. Und ich glaube, ich spüre immer mehr Misstrauen in der Bevölkerung. Die Pandemie hat uns von unseren Lieben getrennt. Einige sind etwas verloren in reinen Spekulationen über die Zukunft dieses Landes und verbringen ihre Tage damit, am Bildschirm zu kleben, verfolgen die neuesten Fallzahlen in Schwarz-Weiß und klammern sich an die verschiedenen Meinungen vermeintlicher Experten.
Aber die Wahrheit ist, dass niemand wirklich wissen kann, was passieren wird. Denn die Zukunft hängt von dem Wunsch ab, den wir in sie setzen, um als Volk voranzukommen. Das Leben ist nicht morgen, das Leben ist heute. Wir wissen nichts über morgen, nur, dass der Kampf heute stattfinden muss. Die Änderung muss heute erfolgen. Und es hängt von jedem einzelnen von uns ab. Lassen Sie uns wieder einander vertrauen. Lassen Sie uns uns auf die guten Nachrichten konzentrieren. Denn da draußen, in den Straßen von Santiago, herrscht auch die Liebe, die Vereinigung unter Nachbarn, die organisierte Solidarität der Suppenküchen und der Mut der Frontlinie, die trotz der Quarantäne weiter kämpft. Und es gibt immer diese beste Freundin, die dir ihr Ohr hinhält, und dir Trost schenkt.
Wir sind eine Gemeinschaft, und wir werden voran kommen. Weil das Volk immer stärker, geeinter und organisierter ist. Das ist mein schönes Chile. Wo vielleicht nichts mehr so sein wird wie vorher, aus dem einfachen Grund, dass alles besser wird.
Vielen Dank, dass Sie bis zum Ende gelesen haben.
Grüße und Umarmungen an alle.
Diane Catani 25. Juli 2020
„In Quarantäne, aber wachsam. Wir kommen wieder…“ steht auf dem Schild zu lesen, welches Diane auf ihrem Hausdach installiert hat, einem beliebten Zufluchtsort in der zermürbenden Quarantäne.
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Diane, ausgebildete Theaterpädagogin, lebt seit 11 Jahren in Chile. Sie hat das Projekt Teatro Bus http://teatrobus-chile.com/ ins Leben gerufen, welches dieses Jahr sein 10-jähriges Jubiläum feiert: https://www.condor.cl/2020/06/01/zehn-jahre-soziales-projekt-teatrobus/
Im Folgenden das von Diane Catani verfasste Originalschreiben:
Mi Chile hermoso,
¿dónde estas? Cada vez que viajo por la ciudad bastante despejada desde la cuarentena, veo un nuevo Santiago. Porque las calles hablan y dicen la verdad. La pobreza ya no se puede esconder. Lo que no queríamos ver durante los últimos años, salió a la luz.
Desde el auto alcanzo a ver por un portón semi abierto un especie de terreno que parece ser un basural. Pero al leer las letras en el portón, entiendo que se trata de un „campamento“. ¿Cómo puede ser que un ser humano tenga que vivir asi? Sabemos que en el Chile del 2020 aún crecen niños entre la basura. Esperando la dignidad. Siempre ha existido la extrema pobreza. Solo que antes muchos de nosotros nos hacíamos los ocupados. No era asunto nuestro. Y con los efectos segundarios de la pandemia, veo cada día más personas en situación de calle durmiendo sobre un cartón bajo un simple nylon. Cada fin de semana se reparten más porciones de comida en las ollas comunes. Sabemos de la vecina que llora desconsoladamente porque su familia tuvo que vender todo lo adquirido en una vida entera por no poder pagar el arriendo del local. El viejito de al lado que cuando me lo encuentro en el almacén de la esquina, saca humildemente un solo pan, y se va sin pagar, explicándo que mañana va a pagar.
Palabras que se las lleva el viento. Y si no puedo pagar ni un solo pan, es porque hay miseria. Y cada día sale más a la luz. Son casos concretos. No nos podemos hacer los lesos. El tío del furgón vendiendo frutas y verduras a domicilio o la madre soltera cambiando tallarines por pañales. Y creo sentir que cada vez mas reina la desonfianza entre la gente. La pandemia nos tiene separados de nuestros seres queridos. Algunos están algo perdidos en puras hipótesis sobre el futuro de este país y pasan el día pegados en la pantalla, siguiendo con atención las últimas cifras en blanco y negro y aferrandose a las diversas opiniones de supuestos expertos. Pero la verdad es que nadie realmente puede saber lo que va a pasar. Porque el futuro depende de las ganas que le ponemos en salir adelante como pueblo. La vida no es mañana, la vida es hoy. Del mañana no sabemos nada, solo que la lucha tiene que ser hoy. El cambio tiene que ser hoy. Y depende de cada uno de nosotros. Volvamos a confiar en el otro. Enfoquemosnos en las noticias buenas. Porque ahí afuera, en las calles de Santiago también reina el amor, la unión entre vecinos, la solidaridad organizada de las ollas comunes y la valentía del primera línea, que sigue luchando a pesar de la cuarentena. Y siempre está esa mejor amiga que te presta la oreja para el desahogo.
Somos comunidad y saldremos adelante. Porque siempre el pueblo es más fuerte, más unido y más organizado. Ese es mi Chile hermoso. Dónde quizás nada volverá a ser como antes, por la simple razón que todo va ser mejor.
Gracias por leer hasta el final.
Saludos y abrazos a todos.
Diane Catani 25. Juli 2020